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Der schwere Weg zurück

Wer kennt es nicht: ein flüchtiger Blick auf den Stadtplan, der Gedanke: das kenne ich – und schon ist man falsch gefahren. Wie ich vorgestern: Am Ende des Nachbardorfes dämmerte mir, dass das wohl zu weit war; das Ziel wäre sozusagen «um die Ecke» gewesen. Spät nachts strampelte ich dann ohne Elektro-Unterstützung nach Hause, weil der Umweg den Rest des Stromes gefressen hatte.

Karin Hirschi

Aber das ist harmlos und schnell vergessen. Unvergleichlich schwieriger ist der Weg zurück, wenn man erkennt, dass man sich in wichtigen Fragen des eigenen oder des gesellschaftspolitischen Lebens geirrt hat. Dann scheint es einfacher, an vertraut gewordenen Täuschungen festzuhalten als sich einer schwierigen Wirklichkeit zu stellen. Und wer mag sich schon den Spott anhören: «Ich hab‘s dir ja immer gesagt…»?

Schwieriger Umgang

An diesem Punkt stehen wir gegenwärtig als Einzelne und als Nation. Während einige damit ringen, wie sie mit unerträglich erscheinenden Wahrheiten umgehen sollen, tun sich andere schwer, nicht einem hinterhältigen Triumphgefühl nachzugeben, weil endlich klar wird, «wer Recht hat». Sie hatten vor Schäden gewarnt und waren dafür lächerlich gemacht worden. Nun kommen genau diese Schäden ans Licht (wobei wir erst die Spitze des Eisberges sehen). ¹

Für beide Seiten ist der Umgang damit schwierig. Ich rede hier nicht von den Verantwortlichen, die immer wussten, was sie taten, und die unbedingt zur Rechenschaft gezogen werden müssen. Vielmehr spreche ich von den vielen verunsicherten Mitbürgern, denen gegenwärtig der Boden entgleitet, auf dem sie zwei Jahre lang sicher zu stehen glaubten.

Impfung: plötzlich alles anders?

Ich befasste mich kürzlich mit der Pressekonferenz des Bundes vom 9. September 2022 zum Thema Corona und Impfung. Kaum zu glauben, wie anders die Lage plötzlich aussehen soll (auch in Bezug auf naturwissenschaftliche Konstanten, an denen sich unmöglich etwas geändert haben kann). Welche Verwirrung muss das auslösen bei allen, die die Hintergründe nicht nachprüfen können wie ich als Ärztin? Aber auch ich schaute fassungslos in den Bildschirm: So fraglos 2021 erzählt wurde, die Impfung schütze zu über 90% vor Ansteckung (und wehe dem, der dies anzweifelte), so fraglos scheint plötzlich klar zu sein, dass sie vor Ansteckung gar nicht schützt. So sehr eine natürliche Herdenimmunität bisher bestritten wurde, so selbstverständlich ist sie nun. Keine Begründung, weder früher noch jetzt. Es ist einfach so.

Diejenigen, die sich jetzt bestätigt fühlen, weil sie «das immer schon gesagt hatten», sind in Gefahr, diejenigen zu verachten, die bis heute (nach ihrer Meinung) «nicht hinschauen wollen». So hängen unausgesprochene Vorwürfe in der Luft, die den Weg zurück zur Wirklichkeit noch schwieriger machen als er ohnehin schon ist.

Gott vergibt

Warum ist dieser Weg eigentlich so schwierig? Aus vielen Gründen. Manche Dinge wollen wir nicht glauben, weil sie zu schrecklich sind, um wahr zu sein, z.B., dass auch Schweizer Massenmedien systematisch Falsches verbreiten könnten. Wenn wir uns getäuscht haben, geben wir das ungern zu. Wer Irrtümer dazu noch selber weiterverbreitet hat (auch wenn dies unwissentlich geschah), sieht sich vor anderen blossgestellt. Noch schwieriger wird es, wenn er in Mitschuld geraten ist, weil er z.B. eine Person zur Impfung gedrängt hat und diese nun bleibende Gesundheitsschäden hat. Wie viele mag es geben, die mit solchen Nöten alleingelassen sind, hilflos zwischen den Fronten? Wer bringt ihnen die frohe Botschaft, dass Gott allen vergibt, die ihn in Reue darum bitten?

Jeder von uns stand schon auf der falschen Seite der Geschichte. Dann waren wir froh, wenn uns jemand die Hand reichte, ohne Spott und Vorwürfe. Der Stärkere kann auf den Schwächeren zugehen. «Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist!» (Lk 6,36)

¹ Quelle: https://aargauerwoche.ch/news/was-sind-die-wahren-ursachen-fuer-die-ungewoehnlich-hohe-sterblichkeit/