Zauberwort «Digitalisierung»: in Wirklichkeit eine fragwürdige Scheinlösung?

Überall wird heute eine verstärkte Digitalisierung gefordert. Im Gesundheitswesen wird eine zentrale Datenbank mit digitalisierten Patientendossiers geradezu herbei beschworen und von Politikern ultimativ verlangt. Ist die Digitalisierung das Allheilmittel für organisatorische und bürokratische Probleme, Verirrungen und Versäumnisse?

Markus Wäfler, alt Nationalrat EDU ZH

Aus meiner Sicht sollten wir uns zuerst fragen, wozu die Digitalisierung dienen soll. Aus meiner Sicht müsste sie dem Menschen dienen, statt ihn zu versklaven. Digitalisierung müsste unsere Arbeit erleichtern, statt sie zu verkomplizieren und störungsanfälliger zu machen. Überbordende, fragwürdige Ansprüche und Vorschriften betreffend Verfügbarkeit und Sammlung von mehr oder weniger sinnvollen Daten blähen den Bürokratie- und IT-Aufwand ins Unermessliche auf und machen uns immer abhängiger von IT-Lösungen.

Sensible Daten schützen

Wozu sollen z.B. zentralisierte, digitale Patientendossiers erstellt werden, wenn solch sensible Patientendaten nur für die behandelnden Ärzte und Kliniken, involvierte Apotheken, Versicherer und Leistungserbringer oder für allfällige anonymisierte wissenschaftliche Auswertungen nötig sind? Diesen Einsichts-Berechtigten kann der behandelnde Arzt nach Bedarf mit Einverständnis des Patienten die nötigen Daten elektronisch zustellen. Aber auf einer zentralisierten Datenbank haben diese sensiblen Patientendaten aus meiner Sicht nichts zu suchen. Dort werden sie ungenügend aktualisiert oder sie können in unbefugte Hände gelangen – beispielsweise von «Hackern».

Hacker-Gefahr

Wir brauchen für Mitarbeiter bedienerfreundliche digitale Hilfsinstrumente für die tägliche Arbeit vor Ort. Bedarfsgerechte Digitalisierung macht lokal – innerhalb der Firma, des Betriebs oder der Abteilung – durchaus Sinn, um die Arbeit zu erleichtern und Daten nach Bedarf für Berechtigte zur weiteren Bearbeitung zur Verfügung zu stellen. Aber mit Blick auf die enormen Sicherheits-Risiken sind zentralisierte, vernetzte Digital-Datenbanken auch hinsichtlich des Energiebedarfs ein Auslaufmodell. Vermehrte Digitalisierung und Vernetzung fördern letztendlich nur die Hacker-Industrie, welche bereits heute für viele Firmen ein beachtliches Erpresser-Risiko darstellt, wie zahlreiche Beispiele zeigen.

Bürokratie reduzieren

Ich sehe sinnvollere Lösungen in der grundlegenden Überprüfung der Ansprüche und der Arbeitsabläufe, um die überbordende Bürokratie und den Datensammelwahn durch radikale Reduktion auf das absolut Nötige, das Wesentliche zu bändigen. Im Gesundheitswesen wäre das betroffene Personal dankbar für eine Reduktion von fragwürdigen Vorschriften und Bürokratie um radikale – aber aus meiner Sicht machbare – 50 %, womit Zeit für die eigentlichen Pflege-Aufgaben gewonnen würde inklusive Abbau von Bürokratie-Stress. Wir müssen heute im Interesse aller Beteiligten nicht digitalisieren, sondern entdigitalisieren!

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