Sanija Ameti: zwischen Blasphemie, Hexenjagd und öffentlicher Empörung
In einer zunehmend polarisierten Gesellschaft gibt es Momente, die über das Mass dessen hinausgehen, was selbst in einer von Meinungsfreiheit geprägten Demokratie als akzeptabel gilt. Ein solcher Moment war der jüngste Vorfall um Sanija Ameti, Co-Präsidentin der politischen Bewegung „Operation Libero“. Ameti geriet ins Zentrum eines öffentlichen Sturms, als sie für ein Instagram-Post symbolisch auf Jesus Christus und die Jungfrau Maria «schoss».
Jan Leitz EDU Dübendorf, stv. Geschäftsführer EDU Kanton Zürich
Was zunächst als ironisch-provokative Aktion verstanden werden sollte, entwickelte sich schnell zu einem Skandal, der nicht nur die christliche Gemeinschaft, sondern auch die gesamte Gesellschaft erschütterte.
Ein verletzendes Symbol
Dieses Jahr war geprägt von inszenierten Provokationen beim Eurovision Song Contest und bei der Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele, bei denen okkulte Szenen zelebriert und religiöse Symbole verhöhnt wurden.
Doch der Fall Ameti traf einen empfindlicheren Nerv. Für viele Gläubige stellte die symbolische Exekution des Christkindes und der Gottesmutter Maria eine unverzeihliche Überschreitung dar.
Anfangs sah es so aus, als würde dieser Vorfall zu einem Aufbäumen des christlichen Bewusstseins führen. Besonders in der Schweiz, einem Land, dessen christliche Traditionen tief verwurzelt sind, schien Ametis Aktion viele Menschen aus einer Art Lethargie zu reissen.
Entschuldigung ohne Wirkung
Ameti reagierte rasch auf die Kritik und erklärte, sie habe nicht gewusst, wen die von ihr gewählten Figuren darstellten.
Diese Entschuldigung sorgte jedoch kaum für Beruhigung. Wäre es besser gewesen, Ameti hätte bloss auf eine normale Mutter und ihr Kind geschossen? Ein Brief an den Churer Bischof Joseph Maria Bonnemain, der als aufrichtiger Versuch der Reue interpretiert werden könnte, ging weitgehend in der öffentlichen Debatte unter.
Was jedoch als Erfolg für die christliche Gemeinschaft hätte gewertet werden können, entwickelte sich bald zu einer neuen Form der Hexenjagd. Zunächst schien es, als würde die öffentliche Empörung allein auf die Beleidigung christlicher Werte abzielen, doch bald wandten sich auch andere Kräfte gegen Ameti. Personen, die lange Zeit auf eine Gelegenheit gewartet hatten, konnten sie «endlich» angreifen.
Vom Symbol zur Ächtung
Ameti verlor innerhalb kürzester Zeit ihren Posten in einer angesehenen Werbeagentur und trat von ihrem Vorstandsposten in der Grünliberalen Partei (GLP) des Kantons Zürich zurück. Forderungen nach einem vollständigen Parteiausschluss wurden laut, und der öffentliche Druck wuchs unaufhörlich. Ihre einstigen Verbündeten, insbesondere aus linken und liberalen Kreisen, distanzierten sich zusehends von ihr.
Was als Verteidigung der christlichen Werte begann, entwickelte sich zu einer allgemeinen Verurteilung, die über das ursprüngliche Thema weit hinausging. Während in christlichen Kreisen zuerst Genugtuung über die schnelle und deutliche Reaktion auf die Provokation herrschte, verflog diese bald, als klar wurde, dass der eigentliche Skandal durch eine Welle der Intoleranz und des persönlichen Angriffs überlagert wurde. Die öffentliche Empörung, die anfangs ein Aufblühen christlicher Identität versprach, endete in einem beängstigenden gesellschaftlichen Klima der Ächtung und moralischen Verurteilung.
Der schmale Grat der Vergebung
Das christliche Gebot der Vergebung, das Jesus Christus selbst lehrte – «Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein» – scheint in dieser Debatte in Vergessenheit geraten zu sein. Was bleibt, ist die Frage, ob der öffentliche Umgang mit Ameti ein Signal für ein neues, unversöhnliches Zeitalter ist, in dem eine Entschuldigung, ob ernst gemeint oder nicht, keine Gnade mehr findet.
Die Tat Sanija Ametis wird für lange Zeit das Symbol dafür bleiben, wie schnell ein gesellschaftlicher Diskurs entgleisen kann. Was bleibt, ist ein bitterer Beigeschmack: Statt einer Rückkehr zu einem respektvollen Umgang mit religiösen Gefühlen endet der Vorfall in einem beunruhigenden Klima, das mit der Botschaft des Verzeihens und der Gnade wenig gemein hat.