Home  ›  Archiv  ›  Traurig und beschämend

Traurig und beschämend

Zur Antwort des Bundesrates auf die Frage von Nationalrat Erich Vontobel «Käuflicher Sex mit schwangeren (!) Frauen – wo bleibt ihr Schutz?»

Fragestunde Frage 25.7178

Dass Frauen in der Prostitution ihrer «Arbeit» nicht aus freien Stücken nachgehen, weiss eigentlich jedermann; jedefrau sowieso. Dass die grosse Mehrheit der Frauen am liebsten sofort aus der Prostitution aussteigen würde, ist ebenfalls kein Geheimnis. Frauen in der Prostitution werden auf verschiedene Art gezwungen, sei es durch körperliche Gewalt oder durch psychischen Druck. Oftmals werden sie in Osteuropa in Busse gedrängt, welche sie dann in die Schweiz bringen. Hierzulande werden sie dann gezwungen, die Freier zu bedienen, bis zum Ablauf ihres Visums. Danach kehren sie körperlich und seelisch verletzt in ihr Herkunftsland zurück, bis zum nächsten Einsatz. Auch bei Frauen mit Schweizerpass kann man nicht von «freiwilliger Arbeit» reden. Denn keine «gesunde» Frau würde ihren Körper mehreren Männern pro Tag zur Begattung anbieten. Frauen in der Prostitution sind in aller Regel vorbelastet: die allermeisten von ihnen wurden schon in der Kindheit missbraucht und misshandelt. Doch wenn jemand schon als Kind gedemütigt und auf diese Weise krank gemacht worden ist, darf man, wenn die Frau als Erwachsene in der Prostitution landet, nicht so tun, als wäre dies «freiwillig». Prostitution ist immer ein Verbrechen an der Frau.

Das im ersten Abschnitt gesagte rechtfertigt an sich bereits den Titel «traurig und beschämend». Denn das Wegschauen der Behörden und die Toleranz der Bevölkerung gegenüber dem Leid von Frauen in der Prostitution ist in der Tat traurig und beschämend. Dieser Text bezieht sich aber auf eine konkrete Aussage des Bundesrates und nennt dessen Aussage «Traurig und beschämend»:

Der Bundesrat hat in der Fragestunde vom 17. März 2025 eine Frage von Nationalrat Erich Vontobel beantwortet. Dieser leitete seine Frage mit dem Hinweis ein, dass im Sexgewerbe eine Nachfrage nach Frauen bestehe, die sich im schwangeren Zustand Freiern zum Sex anbieten. Vontobel wollte in diesem Zusammenhang vom Bundesrat wissen, wie er den Schutz der schwangeren Frau im Sinne des Arbeitsrechts durchsetzen wolle. Vontobel nahm die Formulierung aus dem Arbeitsgesetz und fragte, ob auch aus Sicht des Bundesrates Prostitution eine «gefährliche und belastende Tätigkeit» sei. Nationalrat Vontobel ist sich bewusst, dass ein generelles Verbot von Prostitution im nationalen Parlament aktuell nicht mehrheitsfähig ist, trotz der oben genannten Tatsachen. Er versuchte darum, den Bundesrat wenigstens zu einer ganz bescheidenen Anerkennung des Leides von Frauen in der Prostitution zu bewegen. Die Hoffnung war, dass sich der Bundesrat wenigstens dazu bewegen liesse, zu sagen, dass man Frauen, wenn sie schwanger sind, in unserem Land nicht in die Prostitution zwingen sollte. Doch der Bundesrat verzichtete mit ohrenbetäubendem Schweigen darauf, etwas Aufbauendes oder Anerkennendes zugunsten von Frauen in der Prostitution zu sagen. Die Frage, ob Prostitution eine «gefährliche und belastende Tätigkeit» sei, beantwortete er nicht. Anstelle einer Antwort auf die gestellte Frage sagt er, er sei «sich bewusst, dass Sexarbeitende verletzbar und gesundheitlich gefährdet» seien. Er verzichtet also darauf, die Tätigkeit des Verkaufens des eigenen Körpers an sich als «gefährlich und belastend» zu benennen und flüchtet sich in eine allgemeine Aussage über die Verletzlichkeit von Frauen in der Prostitution. Man stelle sich vor, der Bundesrat würde bei anderen Berufen, die normalerweise von Frauen während einer Schwangerschaft nicht ausgeübt werden können, weil sie eben «gefährlich und belastend» sind, darauf verzichten, die Tätigkeit als gefährlich zu benennen und die Arbeiterinnen allgemein als verletzlich zu beschreiben.

Der Bundesrat gibt im zweiten Teil seiner Antwort zu, dass für «Sexarbeiterinnen, deren Arbeitsverhältnis durch einen entsprechenden Vertrag in den Geltungsbereich des Arbeitsgesetzes fällt», die «Verantwortung für den Schutz der Gesundheit auch im Fall einer Mutterschaft beim Arbeitgeber» liegt. Er scheint aber erstens nicht auf den Gedanken zu kommen, etwas zur Frage des Kontrollierens dieser «Arbeitgeber» zu sagen. Zweitens fährt er im folgenden Satz weiter mit der Vermutung, dass die meisten Frauen in der Prostitution «ihre Tätigkeit als selbständig Erwerbende ausüben und nicht in den Anwendungsbereich des Arbeitsgesetzes fallen» dürften. Diese Vermutung, dass dem so sei, begründet er nicht. Das im ersten Abschnitt dieses Textes Geschriebene scheint dem Bundesrat nicht bekannt zu sein.

Im Schluss der bundesrätlichen Antwort auf Nationalrat Vontobels Frage schimmert immerhin ein wenig Mitgefühl für Frauen in der Prostitution mit. Er schreibt, dass er sich bewusst sei, dass Frauen in der Prostitution «teilweise Opfer von Menschenhandel, Zwang und Gewalt» seien. Dieser Satz kann als Zugeständnis dafür gewertet werden, dass der Bundesrat ebenfalls traurig und beschämt ist über die Situation in der Schweiz in Bezug auf Prostitution. Doch gerade darum ist es unverständlich, warum der Bundesrat seine Antwort in fast schon skandalös vorsichtiger Art formuliert hat, um nur ja keinen weitergehenden politischen Forderungen Tür und Tor zu öffnen. Warum macht der Bundesrat nicht wenigstens einen winzigen Schritt hin zu ein bisschen mehr Recht und Anstand? Wenn er wenigstens sagen würde, dass käuflicher Sex mit schwangeren Frauen mit den Werten der Schweiz unvereinbar sei, wäre dies immerhin ein Signal gewesen. Doch das Signal, das der Bundesrat mit seiner Antwort aussendete, war leider traurig und beschämend. Es besagt: wir können nichts tun, wir wollen nichts tun, und eigentlich ist uns das Leid der Frauen in der Prostitution egal.

Auskünfte:
NR Erich Vontobel, erich.vontobel@parl.ch, +41 79 459 90 61
Pfr. Jann Flütsch, jann.fluetsch@edu-zh.ch, +41 79 630 16 09

Abschnitt für Desktop / Tablet

Zeitschrift „Standpunkt“

Veranstaltungen