Eurovision Song Contest: Ein Pressespiegel
Wenn man in einen Spiegel schaut, bekommt man ein genaues Abbild der Wirklichkeit. Schaut man in einen Presse-Spiegel (bzw. in eine Kamera und spricht in ein Mikrofon), kann es passieren, dass das «Abbild» ein völlig anderes wird… Wie kommt so etwas zustande? – Ein Blick hinter die Kulissen
Dr. med. Karin Hirschi, Redaktion «Standpunkt»
1. Person statt Sache
Die Realität ist bisweilen garstig für Medienschaffende. Da ist klar, was politisch korrekt ist und worauf es in einem Artikel folglich ankommt, aber die Wirklichkeit verweigert sich dem stur. Weil es zur Rechtfertigung von 35 Steuermillionen für den grössten Musikwettbewerb der Welt kaum stichhaltige Sach-Argumente gibt (und was können die armen Journalisten da dafür?), muss man einen Artikel irgendwie anders füllen. Katrin Hauser von der Basler Zeitung (BaZ) entschied sich dafür, sich
statt auf die Sache auf eine Person zu konzentrieren – in dem Fall auf Samuel Kullmann¹. Aber es hätte jeden von uns treffen können. Nach einem abwertenden Abriss seiner Biografie (nebenbei: was hat diese mit dem ESC zu tun?) bestand der Rest darin zu beschreiben, was sie denke, was Samuel Kullmann denke, aber nicht sagen wolle – nämlich, dass das Referendum im Kern «genderfeindlich» sei. – Ich stelle mir guten Journalismus anders vor. Aber liegt das vielleicht daran, dass auch ich «rechtskonservativ» bin?
2. Etikettieren
Das Anhängen von Etiketten ist eine weitere beliebte Strategie moderner Journalistik und Politik. Sitzt eine Etikette einmal, nimmt sowieso niemand mehr ernst, was der Etikettierte sagt. So erspart man sich nebenher auch gleich das lästige Sich-Auseinandersetzen-Müssen mit Sachverhalten. Und so vernehmen wir aus den Mainstream-Medien, dass die
EDU aus «Ultrakonservativen»² bestehe, «rechts-religiös» Dr. med. Karin Hirschi, Redaktion «Standpunkt» und «christlich-fundamentalistisch»² sei – oder kurz und bündig: «eine rechtskonservative Kleinstpartei»³. Eine weitere Etikette war der «Kredit»³ von 35 Steuergeld-Millionen. Kredit? Heisst das, diese 35 Mio. werden wieder in die Staatskasse von Basel-Stadt zurückfliessen, möglichst mit Zinsen? Seit wann werden die Steuergelder der Bürger als «Kredit» vergeben? Und wer prüft in ein paar Jahren, was wirklich zurückkam?
3. …wie bitte?
Immer wieder staunten wir nach Interviews: «Das soll ich gesagt haben?!» Aus Zehn-Minuten-Gesprächen werden zwei Minuten ausgewählt6
und aus dem Zusammenhang gerissen, manchmal wird ein Satz auf etwas anderes bezogen oder es wird nur ein Ausschnitt aus einem Satz gebracht… Der Fantasie von Medienschaffenden sind keine Grenzen gesetzt, wenn es darum geht, die Aussage zu bekommen, die erwünscht ist.
4. Frei erfunden
Fast alles wird möglich durch freies Erfinden, was jemand gesagt oder getan haben soll. So soll Daniel Frischknecht angeblich des Abstimmungsresultats wegen «sprachlos» gewesen sein³ (ausgerechnet unser Daniel!). Weder hat er das gesagt noch war er es. Aber beweisen Sie das einmal! So können uns die Mainstream-Medien ziemlich jedes Märchen andichten, das sie wollen (… und wenn sie nicht gestorben sind, leben sie noch heute!)
Unfreiwillig ausgeplaudert
Was über uns geschrieben wurde, sagte also nicht wirklich viel aus. Aber es gab doch auch Aufschlussreiches: Rund um das Referendum liessen sich Regierungsvertreter, Organisatoren und Journalisten gelegentlich zu Äusserungen hinreissen, deren Tragweite sie vermutlich nicht erkannten. Der aufmerksame Leser kam auf diese Weise zu Erkenntnissen, die ihm sonst verborgen geblieben wären.
So gesehen brachte das EDU-Referendum Vieles ans Licht.
Und es zwang die Verantwortlichen zu einem unangenehmen Spagat zwischen Zweckoptimismus («die haben sowieso keine Chance!») und vorsorglichen Bemerkungen für den Fall, dass es wider Erwarten schief gehen sollte.
So meldete «Basel aktuell»4 vorauseilend, dass ein Referendum sowieso keine Chancen hätte. Im Gegenteil: es würde erst recht deutlich machen, wie geschlossen die Bevölkerung hinter dem ESC stehen würde! Letztlich haben rund zwei Drittel der Stimmberechtigten von Basel-Stadt zum ESC-Beitrag Ja gestimmt. Aber nicht einmal bei diesen zwei Dritteln war man sich im Vorfeld sicher. So räumte Regierungspräsident Conradin Cramer im Rückblick ein: «Klar waren auch Unsicherheiten da: Man weiss nie, wie eine Abstimmung ausgeht»³. Wirklich? Kannte der Grosse Rat von Basel-Stadt den Volkswillen also nicht, als er mit 87 JA zu 4 NEIN und 4 Enthaltungen im Namen des Volkes die 35 Millionen bewilligte?
In der Tat gab man sich alle Mühe, dass bei den rund 90 % Ja-Stimmen im Grossen Rat nicht zu sehr an die nur 66,6 % Ja-Stimmen des Volkes gedacht wurde. Conradin Cramer: «Ich bin sehr erleichtert. Das Resultat ist sensationell deutlich»³. Zwei Drittel sollen «sensationell » sein? Man kann sich fragen, was Herr Cramer ursprünglich erwartet hatte. Und: Wenn der Grosse Rat hier teils am Volk vorbei entschieden hat, wessen Interessen hat er dann vertreten? Wieder war es Conradin Cramer, der uns zu überraschenden und unerwarteten Einblicken verhalf: «Wir haben diese ESC-Bewerbung ja breit abgestützt. Bei allen Parteien, die bei uns vertreten sind. Bei der Wirtschaft, den Kulturschaffenden.»5 … und beim Volk?!
Immerhin machte die Abstimmung deutlich, dass ein ganzes Drittel der Bevölkerung nicht hinter dem «Kredit » von 35 Millionen steht. Und das, obwohl die EDU nur eine «Kleinstpartei» sei, zumindest gemäss Andrea Schumacher und Isabelle Thommen von der BaZ³. Könnte es am Ende sein, dass hier tatsächlich das Basler Stimmvolk entschieden hat, und das nicht ganz gemäss den Vorstellungen der ESC-Organisatoren?
Die 33 % Nein-Stimmen sind doch eine ziemlich wuchtige Ohrfeige – was Herrn Cramer nicht davon abhielt, zu sagen, «…nun würden die Menschen in Europa sehen, dass sie hier willkommen seien»³.
Wozu soll der 35-Millionen-«Kredit» eigentlich verwendet werden? Um diese Antwort drückten sich bisher die meisten Medien. Es hiess: Für die Sicherheit, für das St. Jakob-Stadion, und ja, auch noch für das Rahmenprogramm…
Wie froh sind wir da, dass endlich die BaZ Licht ins Dunkel gebracht hat! «Dieser (Kredit) beläuft sich auf rund 35 Millionen Franken und soll für das Rahmenprogramm zum Eurovision Song Contest (ESC) 2025 im kommenden Mai verwendet werden.»³
Ein Versprecher? Vielleicht. Aufschlussreich allemal.
Gesamtfazit: es gab einige erfreuliche Medienbegegnungen, mit fairen, sachlichen Fragen und ohne nachträgliche Manipulation. Mögen es mehr werden! Ansonsten glich das Sichten der Medienberichte eher einem Wühlen in einem Misthaufen. Der Trost dabei: Auch in einem Misthaufen lassen sich Perlen finden!
Abschnitt für Desktop / Tablet
Quellen
1
BaZ (Basler Zeitung), 13. September 2024, Katrin Hauser
3
https://www.bazonline.ch/basel-esc-basler-stimmvolk-entscheidet-ueber-esc-kredit-265727948986. Andrea Schumacher und Isabelle Thommen
4
Basel Aktuell, Oktober 2024 (Gratismonatsmagazin in jede Basler Haushaltung)
6
Radio X, Münchenstein, 21.11.2024, und viele andere