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Die Lebenskraft der EDU steckt im Konservativen

Daniel Suter hat als langjähriger Geschäftsführer der EDU Kanton Zürich die Partei massgeblich geprägt und in dieser langen Zeit sehr viel erlebt. Ende Februar 2025 wird Daniel nun – nach 25 Jahren – pensioniert. Wir haben mit ihm gemeinsam zurückgeschaut und Bilanz gezogen.

Die Fragen stellte Anian Liebrand

Lieber Daniel, man kann es kaum glauben, dass Du Dich in Bälde in die Pension verabschiedest. Wie und wann bist Du eigentlich damals zur EDU gekommen?
Daniel Suter: In den 1990er-Jahren lebten meine Frau und ich einige Zeit im Ausland, hauptsächlich im Nahen Osten. Wir haben dabei festgestellt, dass es in diesen Ländern weniger Freiheit, Rechtstaatlichkeit, Sicherheit, Selbstverantwortung oder Föderalismus gibt. Diese Dinge sind ein Geschenk Gottes, aber sie fallen nicht vom Himmel. Sie sind das Resultat von praktischem Christsein. Das Christentum hat in unserem Land politisch enorm viel Gutes bewirkt. Deshalb war ich entschlossen, mich für christlich geprägte Politik zu engagieren. Dies gab den praktischen Anstoss, den theologischen Masterstudiengang in Angriff zu nehmen, wo ich mich auf politische und wirtschaftliche Ethik konzentrierte. Noch während des Studiums zeigte mir ein Freund das Inserat der EDU, welche einen Parteisekretär suchte. Ich bewarb mich und wurde im März 2000 gewählt.

Zur Person:
Daniel Suter, Jahrgang 1960, ist wohnhaft in Winterthur. Verheiratet mit Margrit, zwei erwachsene Töchter, drei Enkel. Theologe MTh. Engagiert im Winterthurer Stadtgebet.

Bitte nenne uns ein paar Highlights aus Deiner 25-jährigen Tätigkeit bei der EDU Kanton Zürich.
Der Erfolg bahnte sich langsam, aber sicher an. Er hatte viel mit Gebet rund um die Familie Dollenmeier zu tun. Ein Jahr vor meiner Wahl zum Parteisekretär gewann Stefan Dollenmeier für die EDU den ersten Kantonsratssitz. In meinem ersten Jahr erlebte ich, wie er und Markus Wäfler im Juni 2000 in den Verfassungsrat gewählt wurden. Das gab der Partei so richtig Schub, wir spürten Aufwind. Als im September 2003 Markus in den Nationalrat gewählt wurde, hatten wir den Eindruck, dass wir ernten dürfen, was vorher unter Tränen gesät worden war.

2006 wurde ich zum Kantonalpräsidenten und Geschäftsführer gewählt. Ein Jahr darauf gewannen wir dank dem Wahlverfahren «Doppelter Pukelsheim » fünf Kantonsratsmandate und wurden damit eine eigene Fraktion. Bis zum Herbst war dies mandatsmässig der Höhepunkt der EDU Zürich:
1 Nationalrat, 5 Kantonsräte, 2 Verfassungsräte. Im Herbst 2007 verloren wir leider wegen einer Listenverbindung mit den Mitteparteien den Nationalratssitz wieder. Ich glaube, wir waren von unserem Erfolg derart berauscht, dass wir dachten, das Wachstum müsse ungebremst so weitergehen.

Dass wir 20 Jahre nach der Wahl von Markus Wäfler in den Nationalrat mit Erich Vontobel erneut in der Grossen Kammer vertreten sind, macht mich sehr dankbar. – «Die Zeit der EDU kommt erst», wie der vormalige schweizerische EDU-Parteipräsident Hans Moser zu sagen pflegte. Die Wahl von Erich war möglich durch eine Listenverbindung mit Schweizer Demokraten, Aufrecht und Mass-Voll.
Trotz weiteren Wählerverlusten war die EDU die stärkste Partei dieser Gruppe.

Was waren wichtige politische Projekte der EDU Kanton Zürich?
Wir haben mehrere kantonale Volksinitiativen lanciert: gegen «Sterbetourismus», «Schutz der Ehe» und «Mehr Geld für Familien».

Erwähnenswert sind auch das Referendum gegen die «Registrierung gleichgeschlechtlicher Paare» oder unsere Kampagne gegen die «Fristenlösung». Dieses Jahr hat die EDU der Stadt Zürich das Referendum gegen den ESC-Beitrag ergriffen, dem sich rasch andere Parteien anschlossen. Nach dem ersten Versand des Unterschriftenbogens hat das SRF bekanntgegeben, dass Zürich als Austragungsort ausgeschieden sei. Die gute Zusammenarbeit mit der EDU Schweiz hat diese Schlagkraft ermöglicht.

Was waren wichtige Erfahrungen, die Du auf persönlicher Ebene gemacht hast?
Mehrere Jahre durfte ich in der Geschäftsleitung der EDU Schweiz mitarbeiten und die Wertekommission präsidieren. Ein persönlicher Tiefschlag war mein Burnout 2011, wo ich einige Monate aus Erschöpfung ausfiel. Meine Frau warnte mich viele Monate vorher. Aber ich wusste es «besser» und dachte, es gehe immer noch etwas mehr … Gern denke ich auch an meine verschiedenen Assistentinnen, die meine Arbeit sehr erleichtert und das Sekretariat effizienter gemacht haben. Zu einigen dauern freundschaftliche Beziehungen bis heute an. Auch die Zusammenarbeit mit Thom Feuz und Harold Salzmann vom Zentralsekretariat sind für mich Höhepunkte in Sachen Freundschaft, Vertrauen und Hingabe an die Sache der EDU. Vorstand und Geschäftsleitung der EDU Zürich brachten mir all die Jahre grosses Vertrauen und Wohlwollen entgegen, das mich immer wieder beflügelt hat, meine Stärken zum Wohl der Partei einzusetzen.

Die EDU ist ja eine explizit werte-orientierte Partei, die sich an der Bibel orientiert. Hat sich Dein persönliches Glaubensverständnis immer mit der Haltung der EDU gedeckt? Oder gab es auch mal Unstimmigkeiten?
Als Theologe ist mir bewusst, dass man in guten Treuen verschiedene Auffassungen von Bibeltexten haben kann. So fällt es mir nicht schwer, andere Auffassungen stehen zu lassen. Natürlich habe ich in der EDU politische Äusserungen gehört, bei denen ich mich gefragt habe, wo sowas wohl in der Bibel steht. Die Mehrheitsmeinung der EDU war für mich aber immer im Rahmen des biblisch Möglichen. Ab und zu hätte ich mir eine entschiedenere christliche Positionierung gewünscht und weniger eine, die der bürgerlichen Staatsauffassung entspringt. Was meine Aufgaben als Geschäftsführer betrifft, hatte ich nie Gewissenskonflikte. Theologisch begründete Einwände meinerseits stiessen stets auf offene Ohren.

Wie hat sich das politische Umfeld für die EDU im Laufe der Jahre verändert? Wurde der Nährboden mit der Zeit besser oder allgemein «härter»?
Derzeit befinden wir uns in der Phase der Akzentuierung, in welcher der Nährboden für unsere Positionen bei den einen härter wird und bei den andern empfänglicher. Wir sind Zeugen von der zunehmenden gesellschaftlichen Liberalisierung und Beliebigkeit bis hin zum Woke-Gaga. Die Akzeptanz für woke Positionen ist auch bei unserer Wählerschaft merklich gestiegen. 2015 hatten wir noch fünf Kantonsräte, acht Jahre später noch drei. Das heisst, wir haben bei der Wählerschaft an Attraktivität verloren. Aus meiner Sicht machen unsere Kantonsräte einen ausgezeichneten Job: Sie sind konservativ, konziliant, klar, wahr. Aber diese Tugenden waren in den letzten Jahren nicht im Trend.

Das scheint sich aber zu ändern. Konservative legen international wieder zu und auch für die EDU ist auf nationaler Ebene ein Aufwind festzustellen. Was macht für Dich den Kern der EDU aus?
Die EDU wird in der Öffentlichkeit noch immer meist als «rechts» bezeichnet. Meiner Meinung nach bildet diese Definition die EDU nur teilweise ab. Die EDU ist im Kern konservativ. Dort steckt ihre Lebenskraft. Mit unserer Entschiedenheit, am christlichen Fundament festzuhalten, sind wir die konservativste Partei der Schweiz. Wir stehen für eine Überzeugung, die bis auf Abraham zurückgeht. Konservativer kann man kaum sein. Das Erbe, das uns in der Bibel gegeben ist und unser Land zutiefst geprägt hat, wollen wir bewahren und aktualisieren. Das ist unsere Leidenschaft! Die westliche Kultur kann nur überleben, wenn sie christlich bleibt. Wenn sie sich von der christlichen Wurzel abschneidet, verliert sie ihre Lebenskraft. Es gibt genug Wähler, die diese Zusammenhänge spüren. Wir müssen Wege finden, sie zu treffen.

Ob und wie sich Christen in der Politik engagieren sollen, ist eine altbekannte Frage, die bereits zu vielen Diskussionen und Verwerfungen geführt hat. Was ist Dein Appell an gläubige Christen hinsichtlich eines politischen Engagements?
Die Entchristlichung unserer Gesellschaft schreitet voran. Der woke, linksgrüne Drall ist beinahe allgegenwärtig und droht, uns alle in den Abgrund zu reissen. Im Grunde ist ein heftiger werdender Aufstand gegen unser aller Schöpfer und Vater im Gang, der die Politik von Gott und seinem Segen entfremdet. Wenn Christen Gott ernst nehmen und sich in der Politik einbringen, werden sie zu einem Segen für ihre Umwelt wie Joseph in Ägypten, Daniel in Babylon oder Esther in Persien. Gute Politik braucht auch Christen! Sie sollen sich mutig, zuversichtlich und demütig in der Politik einsetzen. Darum mein Aufruf, unbedingt in der EDU mitzumachen! Sie ist ein ideales Gefäss, mit dem Männer und Frauen ihre Gaben unkompliziert und wirksam in die Politik einbringen können. Ob Apéro vorbereiten, Plakate aufstellen, beten, einen Anlass organisieren helfen, Leserbriefe schreiben, spenden, in ein Amt gewählt werden, die Vereinskasse führen, Abstimmungsparolen beschliessen – helfende Hände sind überall willkommen.

Wie verlief für Dich die Zusammenarbeit mit christlichen Vertretern aus anderen Parteien oder Organisationen resp. Werken?
Es entwickelten sich sehr wertvolle Beziehungen zu den von Pfr. Hansjürg Stückelberger gegründeten Werken «Christian Solidarity International» und «Zukunft CH», aber auch zum «Marsch fürs Läbe», den Daniel Regli mit ins Leben gerufen hat. In den letzten Jahren entstanden zudem freundschaftliche Beziehungen zum früheren Aufrecht-Chef Patrick Jetzer, die sich erfreulicherweise auf seine Nachfolger übertragen haben. Die SVP und ihre Exponenten erlebte ich als fair, vertrauenswürdig und grosszügig. Wir pflegen seit vielen Jahren eine sehr gute Zusammenarbeit, die sich für beide Seiten lohnt. Die Beziehung zur EVP war in den 2000er-Jahren freundschaftlich, kühlte dann aber ab und führte leider seither zu keiner nennenswerten Zusammenarbeit mehr, was ich sehr bedaure. Aufgrund des gemeinsamen Glaubens wäre trotz des ideologischen Grabens eine bessere gegenseitige Beziehung möglich, was sich auf die Politik segensreich auswirken würde.

Wagen wir einen Blick in die Zukunft. Wo siehst Du die Chancen und Herausforderungen der EDU im sich rasant verändernden gesellschaftlichen Umfeld?
Es ist davon auszugehen, dass wir den Zürcher Nationalratssitz im Oktober 2027 nicht aus eigener Kraft schaffen. Darum sollten wir offen auf alle möglichen Listenpartner zugehen. Denn Listenverbindungen sind eine Sache des gegenseitigen Vertrauens, das Zeit zum Wachsen braucht. Weiter stehen für die Parteiführung aus meiner Sicht drei Themen im Zentrum: Profil, Kommunikation, Personal. Die EDU sollte erstens ihr Profil schärfen: drei bis fünf Positionen noch klarer herausschälen, für die sie leidenschaftlich einsteht. Zweitens, diese konservative Botschaft auf allen Kanälen zielpublikumsgerecht verbreiten. Die konservativ eingestellten Wähler sollen merken, dass die EDU genauso tickt wie sie selbst. Und schliesslich: Mitmacher in die Partei holen: Niederschwellige Mitmach-Angebote entwickeln, bei denen Leute unkompliziert mitmachen und die EDU spüren können. Die EDU muss ein emotionales Erlebnis werden, bei dem das innere Feuer überspringt.

Noch eine in die Zukunft gerichtete Frage:
Bleibst Du der EDU in irgendeiner Form erhalten? Und was sind Deine kommenden Projekte im nächsten Lebensabschnitt?

Einerseits braucht meine 90-jährige Mutter zunehmend Unterstützung. Meine Frau und ich, zusammen mit meinen Geschwistern, möchten ihren Wunsch erfüllen, so lange wie möglich in ihrem Haus wohnen zu können. Durch meine Pensionierung eröffnen sich uns neue Möglichkeiten, sie zu unterstützen. Andererseits spüre ich ein starkes Bedürfnis, mein geistliches Leben zu fördern. Mein inneres Leben fühlt sich häufig an wie ein Blumengärtlein, das wegen den hochgewachsenen Bäumen zu wenig Sonnenlicht erhält. Diese Bäume sind über die Jahre gewachsen und müssen nun zurückgeschnitten werden. Der eine und andere muss sogar umgesägt werden, damit das Licht «der rechten Freudensonn» die Blumen wieder aufblühen lässt. Das bedeutet: Nach aussen gerichtete Aktivitäten zurückstutzen und die eine und andere ganz beenden.

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