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Glauben ist für mich Vertrauen

Roger Köppel, einer der profiliertesten Journalisten der Schweiz, im grossen Sommer-Interview mit dem «Standpunkt».

Die Fragen stellten Daniel Frischknecht und Anian Liebrand im Rahmen eines persönlichen Treffens.

«Standpunkt»: Herr Köppel, Sie sind bekannt dafür, mit der «Weltwoche» auch Stimmen Gehör zu schenken, die vom Mainstream abweichen.
Wie beurteilen Sie die gegenwärtige Medien- und Meinungsvielfalt in der Schweiz?

Roger Köppel: Die Meinungsvielfalt in der Schweiz ist sicher noch grösser als in anderen Ländern in Europa. Ich beobachte aber, dass die Meinungsvielfalt in den westlichen Staaten zunehmend abnimmt. Gerade bei den «heissen Themen» unserer Zeit, z.B. dem Krieg in der Ukraine, beobachte ich, dass die meisten Medien immer das Gleiche bringen.
Dagegen vertrete ich mit der «Weltwoche» das Credo, Vielfalt und Debatten zu ermöglichen. Streit ist das Lebenselixier der Demokratie. Für die Schweiz mit ihrer direkten Demokratie gilt das ganz besonders, auch wenn es anstrengend ist.

Aber auch bei uns stelle ich Neigungen fest, unerwünschte Meinungen vermehrt «rauszudrücken» und gar nicht mehr vorkommen zu lassen. Das ist gefährlich. Denn wenn alles nur noch einseitig diskutiert wird, trifft man auch nur noch einseitige Entscheidungen. Deshalb ist die Meinungsvielfalt die wichtigste Aufgabe der Medien. Die «Weltwoche» nimmt diese Aufgabe sehr ernst. Schon die Gründer unserer Zeitung sagten vor neunzig Jahren, dass sie eine unkonventionelle Zeitung herausbringen wollen, die Gegensteuer gibt, wenn es «draussen» zu einseitig ist. Wenn das Boot zu fest nach links kippt, dann gehen wir nach rechts, und wenn es zu rechts ist, nehmen wir linke Haltungen ein. Allgemein ist mir wichtig, offen zu sein und alles zuzulassen – besonders auch jene Meinungen, die im Diskurs zu kurz kommen.

Sie sind seit Jahrzehnten im Journalismus tätig. Während Ihrer Karriere hat sich die Medienlandschaft im Laufe der Jahre stark verändert. Wie haben Sie sich mit der «Weltwoche» in diesem Umfeld positioniert und was sind Ihre aktuellen journalistischen und unternehmerischen Schwerpunkte?

Vieles hat sich verändert, vieles ist aber auch gleich geblieben. Seit ich im Journalismus Fuss gefasst habe, hatte ich das natürliche Bedürfnis, Gegensteuer zu geben – schon als junger Sportjournalist oder als Filmkritiker. Wenn sich alle einig waren, hat mich das immer irritiert. Aus dieser Grundhaltung habe ich im Verlauf meiner Karriere ein journalistisches Prinzip gemacht. Die andere Sicht zu vertreten und anderen Meinungen zuzuhören: – das fasziniert mich. Diese Prinzipien verkörpert die «Weltwoche», sie sind unser Markenkern, auch wenn uns manchmal Gegenwind entgegenbläst. Ansonsten ist es natürlich wichtig, unternehmerisch Erfolg zu haben. Die «Weltwoche » ist immer solide in der Gewinnzone, in den letzten Jahren hatten wir sogar ein Umsatzwachstum in den Abo-Zahlen, und wir halten uns im Anzeigenmarkt recht gut, obwohl das sehr anspruchsvoll geworden ist. Seit ein paar Jahren sind wir auch online stärker am Start. Mit «Weltwoche Daily» liegen wir mit rund 265’000 YouTube-Abonnenten im Videobereich mit Abstand an der Spitze in der Schweiz. Die Herausforderungen sind sicher gross, aber ich glaube, dass unsere Positionierung für Vielfalt und «die andere Sicht» in der heutigen Zeit sehr wichtig ist.

Mit Ihrem Videoformat «Weltwoche Daily» haben Sie sich eine treue Fangemeinde aufgebaut. Nahezu täglich kommentieren Sie hierin frühmorgens das aktuelle Zeitgeschehen. Sie erreichen damit online zehntausende oder noch mehr Zuhörer – auch im Ausland.
Wie erklären Sie sich diesen Erfolg? Was sind hierbei Ihre journalistischen Prinzipien und wie motivieren Sie sich, jeden Tag aufs Neue mitten in der Nacht dafür aufzustehen?

Das Motto des Formats heisst «unabhängig, kritisch, gut gelaunt». Die Grundüberlegung war, den Leuten am Morgen «die Mühsal des Zeitunglesens» abzunehmen. Ich lese für die Menschen Zeitung, kommentiere das Zeitgeschehen aus meiner Sicht und versuche, das Ganze mit guter Laune zu verbinden. Die Absicht ist, dass sich meine Zuschauer nach der Sendung besser fühlen als vorher. «Weltwoche Daily» soll eine tägliche Motivationsspritze, ein Meinungskick und eine Stimulierung des Gehirns sein. Wenn man immer nur das gleiche hört, verkalkt das Gehirn – deshalb braucht es hie und da auch einen Stromschlag von aussen oder Denkanstösse. So gesehen ist es vielleicht auch gesundheitsfördernd, was wir da jeweils früh am Morgen machen. Für mich persönlich bedeutet das, unter der Woche relativ diszipliniert zu leben.
Ich habe keine grossen Abendprogramme und gehe einfach früh ins Bett.

Sie wurden 2015 mit einem Rekordergebnis in den Nationalrat gewählt und haben bis 2023 in Bundesbern politisiert. Welche Erfahrungen haben Sie während dieser Zeit im politischen Betrieb in Bundesbern gemacht und weshalb haben Sie sich entschieden, Ihre «Politikerkarriere» nach acht Jahren wieder zu beenden?

Die entscheidende Erfahrung für mich ist: Die Schweiz ist grossartig. Wir haben einen einzigartigen Staatsaufbau, in keinem anderen Land haben die Bürger so viel Macht wie in der Schweiz. Demokratie im eigentlichen Wortsinn als Volksherrschaft ist bei uns sehr nahe an der umfassenden Verwirklichung. Auch die acht Jahre im Bundeshaus waren für mich eine tolle Erfahrung. Die Art, wie da unterschiedliche Meinungen auf engem Raum aufeinandertreffen, wie debattiert und gerungen wird und wie austariert das ganze politische System ist, war unglaublich spannend zu erleben. Das Bundeshaus ist eine Art Therapiestation. Dort können eigentlich alle gesellschaftlichen Konflikte auf eine friedliche Ebene gebracht werden.
Warum ich aufgehört habe: Ich habe immer gesagt, dass ich mich als Nationalrat zur Verfügung gestellt habe, um den Rahmenvertrag mit der EU zu verhindern. Wenn der Rahmenvertrag nach vier Jahren vom Tisch gewesen wäre, wäre ich bereits nach vier Jahren zurückgetreten. Ich hatte nie ein Karriereverständnis von Politik. Ich hatte ja schon eine Karriere. Ich hatte bereits die höchsten Positionen im Journalismus in der Schweiz und im Ausland erreicht. In die Politik bin ich nur gegangen, weil ich das Gefühl hatte, dass viele Politiker die Schweiz zu wenig gut verkaufen und vor der EU kuschen.

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Zur Person


Roger Köppel, geboren 1965, ist wohnhaft in Küsnacht ZH. Verheiratet, vier Kinder. Studium der Philosophie und Geschichte in Zürich und Stuttgart. Journalist bei der NZZ und dem «Tages-Anzeiger». Chefredaktor «Das Magazin», «Die Weltwoche» und «Die Welt» (Berlin). Seit 2007 ist Roger Köppel 100-prozentiger Eigentümer der Weltwoche Verlags AG, Verleger und Chefredaktor «Die Weltwoche». Von 2015 bis 2023 war Köppel für die SVP des Kantons Zürich im Nationalrat.

Verweise:
www.rogerköppel.ch
www.weltwoche.ch